Informiert statt frustriert: Was hilft Menschen bei komplexen Klimaentscheidungen?

Dr. Daniela FlörchingerRWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
Prof. Dr. Manuel FrondelRWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

Viele Menschen sind bereit, etwas für den Klimaschutz zu tun. Zum Beispiel, indem sie ihren alten, ineffizienten Kühlschrank durch einen energieeffizienteren ersetzen. Doch ob dies wirklich dem Klima hilft, ist wegen komplexer politischer und regulatorischer Rahmenbedingungen für Verbraucher:innen oft schwer zu beurteilen.

Tatsächlich könnte das Ersetzen eines ineffizienten Kühlschranks durch einen effizienteren aufgrund der Existenz des europäischen Emissionshandels unter Umständen sogar zu mehr statt weniger CO₂-Emissionen führen – ein kontraintuitiver Effekt, der selbst Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wenig bekannt ist.

Höherer Ausstoß möglich

So könnten Menschen das Geld, das sie aufgrund des geringeren Stromverbrauchs eines neuen Kühlschranks einsparen, für treibhausgasintensive Aktivitäten wie Fernflüge ausgeben. Deren Emissionen werden nicht durch den EU-Emissionshandel begrenzt, während die bei der Stromerzeugung verursachten Emissionen EU-weit durch den Emissionshandel gedeckelt werden.

Ein geringerer Stromverbrauch kann daher den Treibhausgasausstoß in den vom EU-Emissionshandel abgedeckten Sektoren nicht verringern. Wenn das eingesparte Geld für emissionsintensive Aktivitäten ausgegeben wird, die nicht vom Emissionshandel reguliert werden, kann es insgesamt sogar zu einem höheren Ausstoß an Treibhausgasen kommen.

Ein detailliertes Verständnis solcher regulatorischer Rahmenbedingungen fehlt Verbraucher:innen naturgemäß. Dadurch ist es für die meisten Menschen schwierig bis unmöglich zu beurteilen, welche Maßnahmen effektiv zum Klimaschutz beitragen.

Wie ausführlich sollten Informationen sein?

Daher erscheint es naheliegend, durch die Bereitstellung von Informationen, die auf dem Rat von Expertinnen und Experten beruhen, Licht ins Dunkel zu bringen. Allerdings ist nicht klar, wie detailliert diese Informationen sein sollten, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

Einerseits könnte eine kurze Aussage ohne jegliche Erklärungen wenig überzeugend sein. Andererseits könnten detaillierte Erklärungen manche Menschen überfordern, sodass sie die Informationen entweder ignorieren oder sich komplett einer Entscheidung verweigern.

In welchem Umfang brauchen Menschen also Informationen? Antworten auf genau diese Frage haben wir in unserer Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht wurde, empirisch untersucht.

Komplexe Rahmenbedingungen des europäischen Emissionshandels

Als Paradebeispiel für komplexe regulatorische Rahmenbedingungen diente der europäische Emissionshandel. Von der EU-Kommission werden jedes Jahr Emissionszertifikate ausgegeben. Unternehmen, die am Emissionshandel teilnehmen, müssen für jede Tonne Treibhausgas, die sie ausstoßen, ein Emissionszertifikat erwerben.

Was viele Menschen nicht wissen: Auch Privatpersonen können über verschiedene Nichtregierungsorganisationen Zertifikate erwerben und durch deren — im Fachjargon Stilllegung genannte — Vernichtung zur Treibhausgasminderung beitragen.

Denn: Diese Zertifikate stehen dann den am Emissionshandel beteiligten Unternehmen nicht mehr zur Verfügung, sodass diese weniger Treibhausgase ausstoßen dürfen. Bis zum Jahr 2018 wurde durch jedes stillgelegte Zertifikat eine Tonne Treibhausgas eingespart.

Doch mit der Einführung der Marktstabilitätsreserve in den Emissionshandel im Jahr 2018 wurde dieser einfache Zusammenhang erheblich verkompliziert. Die zu Beginn eines Jahres neu ausgegebene Menge an Emissionszertifikaten hängt seither von der bereits in Umlauf befindlichen Menge an Zertifikaten ab: Je mehr Zertifikate bis zum Ende des Jahres nicht stillgelegt wurden, desto weniger Zertifikate werden zu Beginn des neuen Jahres ausgegeben. Das hat zur Folge, dass das Jahr der Stilllegung nun einen Einfluss auf die eingesparte Menge an Treibhausgasen hat: Durch eine Stilllegung in einem späteren Jahr werden mehr Emissionen vermieden als durch eine frühere.

Unser Experiment: Was hilft Menschen bei komplexen Klimaentscheidungen?

Diese weitgehend unbekannte Tatsache nutzten wir in unserem Online-Experiment, um zu untersuchen, welche Wirkung Expertenratschläge auf die Wahl unterschiedlicher Klimaschutzmaßnahmen haben.

So lief das Experiment ab, das in eine Erhebung des von der E.ON Stiftung geförderten Sozialökologischen Panels des RWI eingebettet war: Die Teilnehmenden hatten die Wahl, ein Emissionszertifikat durch eine Nichtregierungsorganisation zu erwerben und es entweder sofort oder ein Jahr später stilllegen zu lassen, oder aber nichts zu tun und somit keinen Klimaschutz zu betreiben.

Dabei wurden sie per Zufallsmechanismus in vier etwa gleich große Gruppen aufgeteilt:

  • Gruppe 1 erhielt keine Informationen über die Wirksamkeit der beiden Klimaschutzmaßnahmen.
  • Gruppe 2 erhielt sehr kurze Informationen
  • Gruppe 3 bekam ausführliche Erklärungen.
  • Gruppe 4 musste lediglich zwischen zwei Optionen wählen: Entweder keine Klimaschutzmaßnahme oder das Stilllegen eines Zertifikats, wobei der Zeitpunkt nicht näher spezifiziert wurde und nicht beeinflusst werden konnte.

Um die Seriosität unseres Experiments hervorzuheben, wurden die Teilnehmenden darüber informiert, dass das Forschungsteam einen Teil der Entscheidungen tatsächlich umsetzen würde.

Informationen führen zu wirksameren Maßnahmen

Zwei zentrale Fragen standen im Fokus: Wie viele Menschen wählen überhaupt eine Klimaschutzmaßnahme? Welcher Anteil davon wählt die effektivere Maßnahme? Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Teilnehmenden davon überfordert scheinen, zwischen zwei Klimaschutzmaßnahmen zu wählen ohne zu wissen, welche den größeren Effekt hat.

In der Gruppe ohne Erklärung wählten mehr Menschen gar keine Maßnahme als in allen anderen Gruppen. Dabei macht es kaum einen Unterschied, wie ausführlich die Erklärung ausfällt. Der Anteil derer, die die effektivere Maßnahme wählen, steigt von 35 Prozent auf etwa 60 Prozent, wenn die Teilnehmenden über die Effektivität der Maßnahmen informiert werden. Eine ausführliche Erklärung kann diesen Effekt nochmals erhöhen, jedoch lediglich um ca. fünf Prozentpunkte.

Für die Wirksamkeit der Informationen ist es aber entscheidend, wie intensiv sich die Teilnehmenden mit der Erklärung beschäftigen. Unter den Teilnehmenden, die sich ausreichend Zeit für die Erklärung nehmen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die wirksamere der beiden Klimaschutzmaßnahmen gewählt wird, um etwa 45 Prozentpunkte. In diesem Fall entscheiden sich nahezu 95 Prozent derjenigen, die eine Klimaschutzmaßnahme wählen, für die effektivere. Unter denjenigen, die die Informationen lediglich überfliegen, trifft dies auf weniger als 60 Prozent zu.

Was bedeutet das für die Treibhausgasminderung?

Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse, dass Expertenratschläge eine effektive Möglichkeit sein können, um die Wirksamkeit individueller Klimaschutzmaßnahmen zu erhöhen. Ein großer Teil der an unserer Studie Teilnehmenden ist nicht nur bereit, sich mit komplexen Informationen über die Wirksamkeit von Klimaschutzmaßnahmen auseinanderzusetzen – er entscheidet sich auch anschließend für die effektivere Maßnahme. Doch auch unter jenen, die weniger gewillt sind, sich mit komplexen Informationen auseinanderzusetzen, haben die Informationen einen Effekt, wenn auch in geringerem Ausmaß.

Besonders wichtig für die Klimakommunikation ist das Ergebnis, dass ausführliche Erklärungen nicht abschreckend wirken, sondern die Wirkung der Informationen sogar noch verstärken können.

Einschränkend ist zu bemerken, dass die Menschen in unserer Stichprobe im Durchschnitt besser gebildet sind als die deutsche Bevölkerung insgesamt. Die Effekte lassen sich daher nicht ohne Weiteres auf die deutsche Bevölkerung übertragen.

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