Youro: „Wir wollen einen Marktplatz für EU-Produkte schaffen“
In unserer Interview-Reihe sprechen wir mit kleinen und mittleren Unternehmen über das Thema nachhaltige Innovationen – und darüber, welche staatlichen Rahmenbedingungen aus ihrer Perspektive gegeben sein müssen, damit die anstehende Nachhaltigkeitstransformation erfolgreich bewältigt werden kann.
Dieses Mal geht es um das Start-up Youro mit Sitz in Köln. Gründerin Michelle Kujawa will mit Youro einen digitalen Marktplatz für lokal in der EU hergestellte Produkte etablieren.
Frau Kujawa, können Sie uns Ihr Produkt etwas näher erläutern?
Wir haben mit Youro den ersten Marktplatz für EU-Produkte gegründet. Das heißt, wir haben eine Plattform für die lokale Wirtschaft geschaffen, auf der wir europäische Marken und Produkte sammeln und vorstellen, um diese für Endverbraucher zugänglich und sichtbar zu machen. Kurzum: Youro zeigt, was in der Europäischen Union produziert wird.
Wie kam es zu der Idee?
Vor einigen Jahren habe ich meinen Van zu einem Camper umgebaut. Allerdings dominieren Niedriglohnimporte die Sichtbarkeit am Markt und die Produktionsbedingungen sind zumeist intransparent. Ich wollte allerdings keine Produkte nutzen, die nicht meinen ethischen Werten entsprechen. Stattdessen habe ich versucht, lokaler zu konsumieren. Das erwies sich allerdings als schwierig: Egal, wo ich geschaut habe, es gab online überall die gleichen Produkte von den gleichen Herstellern. Das war unglaublich frustrierend.
Und da habe ich mich gefragt: Wie kann das sein? Wir haben mit der EU eine so tolle und einzigartige Wertegemeinschaft geschaffen. Das sollte sich auch im Handel widerspiegeln. Und deshalb haben wir Youro geschaffen.
Und welche Rolle spielt Nachhaltigkeit dabei?
Wir akquirieren für unseren Online-Shop ausschließlich Partnermarken aus der EU, da es dort hohe Ansprüche an die Produktion und an die Produktqualität gibt – sowohl technischer als auch ethischer Natur. Es würde sich kaum lohnen, ein Billigprodukt in der EU herzustellen. Die hohe Qualität führt zudem dazu, dass die Produkte langlebiger sind. Schon dadurch gibt es weniger Umweltschäden. Zudem legen viele unserer Marken zusätzlich Wert auf nachhaltige Aspekte, zum Beispiel auf plastikfreie Verpackungen oder recycelte Materialien. Sie sind auch um kurze Transportwege bemüht, was nicht selbstverständlich ist am Markt.
Was bedeutet für Sie „made in der EU“?
Der zentrale Schritt der Wertschöpfung muss hier geschehen. Welcher das ist, unterscheidet sich natürlich von Produkt zu Produkt. Für Kleidung haben wir den Schnitt- und Nährprozess als zentral definiert. Bei Eisenwaren den Guss und die Veredelung. Das machen wir in Markenprofilen, in kurzen Steckbriefen, transparent. Wir zeigen ebenfalls, woher Vormaterialien kommen. So möchten wir den Konsument:innen ermöglichen, selbst zu entscheiden, ob ihnen die Produktion lokal genug ist oder nicht.
Unsere Partnermarken sind vertraglich dazu verpflichtet, wahrheitsgemäße Angaben zu ihrer Produktion zu machen. Zudem gibt es unter jedem Markenprofil einen Meldehinweis. Dort kann uns die Öffentlichkeit Hinweise zukommen lassen, falls die Angaben nicht stimmen – beispielsweise ehemalige Mitarbeitende, Konkurrenten oder Journalisten.
Wie sehen Ihre zukünftigen Planungen aus?
Wir möchten langfristig die Wettbewerbsnachteile, die lokale Produzenten haben, ausgleichen. Denn wer aktuell als kleines und lokales Unternehmen produziert, hat diverse Nachteile durch fehlende Skaleneffekte. Die Produktionskosten sind höher, es gibt viele Auflagen im Umwelt- und Arbeitsrecht. Die Margen sind kleiner als bei Unternehmen, die in Niedriglohnländern produzieren – ebenso wie die Marktmacht.
Solche Nachteile möchten wir mit einem kooperativen Ansatz ausgleichen. Das heißt, wir möchten beispielsweise den Einkauf von Vorprodukten für mehrere unserer Marken bündeln und die Konditionen hierfür gemeinsam aushandeln. Aber auch die Werbekosten könnten auf diese Weise für unsere Marken sinken. Hier haben wir kürzlich ein kleines Pilotprojekt gestartet. Eine Videoagentur hat einen Rahmenvertrag mit uns geschlossen, mit dem unsere Marken deutlich bessere Konditionen für Markenspots erhalten. Wir bündeln die Drehs dann, sodass Synergieeffekte entstehen, weil beispielsweise Anfahrtskosten gespart werden können.
Wie haben Sie den Gründungsprozess in Deutschland erlebt?
Bürokratische Hürden gibt es mit Sicherheit einige. Das könnte alles deutlich schlanker und schneller gehen. Das gilt sowohl für die Verpflichtungen, die Start-ups haben als auch für die Förderanträge, die wir wir stellen können. Tatsächlich hätten wir uns generell mehr Unterstützung von politischer Seite erhofft.
Inwiefern? Was hätten Sie sich von der Politik gewünscht?
Wir haben eine Plattform geschaffen, auf der Produkte aus der EU gebündelt werden. Unsere Geschäftsidee als solche ist daher in gewissem Sinne politisch und relevant für die europäische Wirtschaft. Daher waren wir davon ausgegangen, dass sich Fürsprecher seitens der Politik finden würden, die uns dabei unterstützen, Youro bekannter zu machen. Doch das erweist sich bislang als schwierig, es gibt sehr viel Zurückhaltung. Natürlich ist es berechtigt, dass die Schwelle hin zu Korruption hoch ist. Das muss auch so bleiben. Aber es spricht doch nichts dagegen, mit Start-ups in Kontakt zu treten – besonders, wenn sie einen Impact haben.
Was brauchen wir generell, um die Bahnen in eine nachhaltigere Wirtschaftsform zu lenken?
Wir brauchen einen bewussteren Konsum: weniger Produkte, die qualitativ hochwertiger sind. Das sagt sich natürlich leicht. Doch das ist es nicht, diese Erfahrung habe ich selbst beim Umbau meines Vans gemacht. Daher ist die Frage: Was braucht es, damit ein bewusster Konsum praxis- und massentauglich wird? Da ist die Antwort meiner Ansicht ganz klar: Wir brauchen mehr Transparenz. Auf unserer Plattform versuchen wir das durch unsere Markenprofile. Das klingt erst einmal sehr banal, aber das ist wesentlich mehr Transparenz, als man sonst aktuell auf dem Markt findet.
Gerade im nachhaltigen Segment wird viel Greenwashing betrieben. Wir finden bei unseren Recherchen viele vermeintlich grüne Marken, die nicht einmal bekannt geben, an welchen Orten sie produzieren. Das heißt natürlich nicht zwangsläufig, dass diese Betriebe unter schlechten Bedingungen produzieren, aber: Faire und nachhaltige Rahmenbedingungen würde man als Unternehmen doch offen kommunizieren – oder? In solchen Fällen bleibt schon die Frage zurück, ob sich hier nicht einfach nur ein grüner Anstrich verpasst wird.
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